Vom Lindwurm, vom Almleben und Geschichten aus dem Kleinarler Talschluss

Ich habe euch ja bereits auf eine Reise in die Vergangenheit bei Teil 1 und Teil 2 der Geschichte aus dem Kleinarler Talschluss mitgenommen. Und jetzt darf ich euch im dritten und letzten Teil dieser Serie Historisches und Sagenhaftes vom Tappenkar näher bringen.Die Legende besagt, dass im Gebiet vom Tappenkar bereits Ureinwohner, ein Hirten- und Jägervolk, gelebt haben sollen. Sie haben sich von Wild und Fisch, später aber auch von Ackerbau und Viehzucht ernährt. Durch den plötzlichen Kälteeinbruch, der das Klima veränderte, wanderten die Ureinwohner aber in Richtung Süden aus. Auch in anderen benachbarten Gegenden wie z. B. der Übergossenen Alm waren die Almen davor sehr ertragreich, sodass die Hirten und Senner einer Sage nach mit Butterkugeln Kegelscheiben spielten und auf den Tanzböden Nackttänze stattfanden. Und wie es in solchen Geschichten meist der Fall ist, ließ die Strafe Gottes nicht lange auf sich warten: Er versiegte die Fruchtbarkeit dieser Almen. Für diese Legende gibt es sogar reale Hintergründe, denn früher wuchsen auf wesentlich höheren Lagen Bäume und somit konnten die Almen in größerer Höhe bewirtschaftet werden.

Der Lindwurm vom Tappenkar

Mitten im Tappenkar eingebettet liegt der Tappenkarsee, um den sich viele Geschichten und Sagen ranken. Das ist der größte Gebirgssee in den Ostalpen und auf jeden Fall eine Wanderung dorthin wert. Der Tappenkarsee ist von steil aufragenden Felsen eingeschlossen und nur am südlichen Ufer steigen sumpfige Wiesenhänge auf. „Wurmfeld“ werden diese auch heute noch genannt. Denn in dieser Gegend soll vor langer Zeit ein mächtiger Lindwurm gehaust haben. Die Hirten und Jäger fürchteten diesen und machten einen großen Bogen um ihn. Denn der Lindwurm zerriss ihre Pferde, Kühe und Schafe und die Hirten und Jäger mussten hilflos dabei zusehen. Schließlich hatten sie eine Idee und versuchten den Lindwurm durch eine List zu überwältigen. Sie füllten eine alte Kuhhaut mit Moos, sodass es einer lebenden Kuh sehr ähnlich schaute. Im Magen der Kuh war allerdings eine große Menge Schießpulver. Die Hirten übergaben den Leckerbissen an den Lindwurm und es dauerte nicht lange, dann schnellte das Ungeheuer aus dem See und verschlang die Kuh. In der nächsten Minute schoss eine Flamme auf, ein Knall folgte. Rauch, aufspritzende Wellen und unzählige Teile vom Lindwurm flogen durch die Luft. Danach feierten die Almleute ihren Erfolg. Jedoch konnte der Lindwurm nicht ganz zerrissen werden und erholt sich in der Zwischenzeit im Tappenkarsee. Er nagt an den Felsen und irgendwann wird er die Felsen sprengen und der See wird das ganze Tal überschwemmen – die Wassermassen sollen bis nach Wagrain reichen…

Eine weitere Sage berichtet von einer schönen „Tappenkarfrau“. Sie liebte einen Rittersohn und wollte seine Frau werden. Das einzige Hindernis dabei war nur, dass er den Lindwurm töten sollte. Leider verstarb er, wie so viele andere auch, bei diesem Versuch. Daraufhin hat sich die schöne „Tappenkarfrau“ selbst in den See gestürzt. Eine andere Legende berichtet von einem Wassergeist im Tappenkarsee. Einem Jäger, der den See erkunden wollte, sagte dieser: „Ergründest du mich, so schlünd ich dich.“ Vielleicht ist auch hier ein Körnchen Wahrheit mit dabei, denn zahlreiche Taucher, die den See erkunden wollten, machen das kein zweites Mal…

Die Herkunft des Namens Tappenkar

Die Herkunft des Namens ist nicht ganz geklärt und ist in alten Aufzeichnungen in verschiedenen Schreibformen zu finden. Im 15. und 16. Jahrhundert schrieben sie so wie heute, dann 1653 Dabbenkar, 1628 Tatpenkar oder Tothenkar, 1728 Dabenkar und danach wieder Tappenkar. Abgeleitet kann der Name von „Etappe“ werden, was Rast- oder Ruheort bedeutet. Aber auch das altdeutsche Wort „tapin“ (versteckt, verschlossen, abgeschlossenes Kar) ist möglich. Das keltische Wort „Dapfen“ ist eine weitere Option, das heißt Kuhweide. Oder die Herkunft kommt vom niederländischen Wort „tappe“, was Pfote oder Tatze bedeutet. Jede Deutung hat was für sich und kann durchaus für die Namensgebung verantwortlich sein.

Der Almabtrieb im Tappenkar - Hirten, Sennerinnen und Tiere und was der Erzbischof damit zu tun hat

Ein paar Sagen deuten darauf hin, dass bereits die Kelten die Almen bewirtschafteten. Dies ist allerdings nicht nachweisbar. Sie kannten aber auf jeden Fall die Übergänge über die Alpen, denn „Tauern“ bedeutet Übergang. Und davon gibt es ja in unserer Gegend zahlreiche, wie z. B. Obertauern. Erst später wurde dieser Begriff für den Alpenhauptkamm in unserer Gegend (Hohe Tauern, Niedere Tauern etc.) verwendet. Wann die Almen also das erste Mal bewirtschaftet wurden, ist bis heute ein ungelüftetes Geheimnis. Um das Jahr 1850 wurden allerdings rund 1.000 Schafe, 800 Rinder und 200 Pferde in das Gebiet des Tappenkars aufgetrieben. Denn die Weidefläche beträgt 712 ha und die Tiere genießen auch auf über 2.000 m Seehöhe noch Bergklee und würzige Kräuter. Dieses Gebiet gilt als besonders gesunde Alm mit wenigen Tiererkrankungen.Das Almleben auf der größten Alm des Pongaues war großartig, angeblich wie sonst nirgends im Erzstift. Zu den Almleuten gesellten sich auch „Samer“, also Leute, die auf der Durchreise bzw. beim Transport von diversen Gütern über die Berge waren. Denn auf den Almen im Tappenkar wurde ihnen Rast und Erfrischung, oft auch eine Unterkunft geboten. Die ursprüngliche Hütte stand früher am Hüttenstein, südöstlich vom See. Denn von dort hatten die Hirten einen guten Ausblick auf die Weideflächen sowie den früheren Auftrieb, der über das Draugsteintörl ging. Neben Ringkämpfen und Ranggelfesten konnten hier Hirten, Senner und Sennerinnen, Samer und Händler, Viehtreiber, Bauernburschen und Dirndln aus nah und fern aus sich herausgehen und ihre Freiheit austoben, was wohl dieser Almspruch deutlich macht:Gånga kemman Paar um Paar,zur Almafreud ins Tappenkar,der Samer und der Kramer,der Senner und der Hirt,alle bringen saubere Dirndl mit.Sie heben an zu jodeln und zu singa,zu hupfen und zu springa,tun sich mit d’Händ fest umschlinga,zum Tanz und Ringelreihn,am Tappenkar, dem frei’n.

Lange blieb das Hirtenleben unbehelligt. Aber 1645 untersagte Erzbischof Paris Lodron die Hirtentänze. Und später kam es überhaupt zu einem Verbot: Frauen durften nicht mehr als Sennerin auf die Alm geschickt werden. Eine Salzburger Spezialität soll die „Sendinnen Wäppelung“ gewesen sein. Da ja Sennerinnen strengstens auf den Almen verboten waren und dafür Melker eingesetzt werden mussten, waren die Bauersleute um eine andere Lösung bemüht. Schließlich wurde das Gesetz 1767 dahin gemäßigt, dass Hirten und Sennerinnen von der Geistlichkeit einen Schein zur Erlaubnis für die Alm haben mussten. Also, die Bauersleute mussten mit den Leuten, die auf die Alm sollten, bei der Geistlichkeit vorsprechen und wenn diese die Almleute für gut befunden haben, durften sie auf die Alm. Es kann schon sein, dass eine alte Frau zur Geistlichkeit gebracht wurde, diese den Stempel erhalten hat und schließlich ein junges Mädchen den Sommer auf der Alm verbracht hat… Unter „wäppeln“ oder „wappeln“ ist übrigens ein schnelles Abstempeln oder mit einem Wappen versehen zu verstehen. Heute versteht man unter dem Begriff „gwappelt“ eher raffiniert.

Weiderecht für fast alle Pongauer Gemeinden

Ursprünglich durften alle Pongauer Gemeinden ihr Weidevieh in das Tappenkar auftreiben. Dies erfolgte über das Draugsteintörl vom Großarltal aus, da dies wesentlich ungefährlicher war als der Weg direkt zum Tappenkarsee. Es folgten Streitigkeiten mit den Bauern aus Großarl und Hüttschlag, da sie anscheinend zu früh und zu viele Tiere in das Tappenkar getrieben haben. Zahlreiche Uneinigkeiten, Verträge und Verträge, die nicht eingehalten wurden, waren das Ergebnis. In all den Urkunden ist ein Ausschluss der Großarler und Hüttschlager Weiderechte am Tappenkar nicht beurkundet, dennoch ist dieser erfolgt. Auch in den Archiven ist darüber nichts Konkretes zu finden. Ob die Großarler und Hüttschlag verzichtet haben oder ob es die Folge eines Ausschlusses war, ist urkundlich nicht belegt. Ebenso ist der Zeitpunkt dieses Ereignisses nicht bekannt. Auf jeden Fall war dann der Auftrieb nicht mehr von der Großarltaler Seite übers Draugsteintörl, sondern es musste ein neuer Weg am westlichen Seeufer angelegt werden. Die Großarler und Hüttschlager verweigerten wohl die ehemalige Aufstiegsmöglichkeit. Und am neuen Weg passierten immer wieder Unfälle. Heute ist der Wanderweg zum Tappenkarsee sehr gut ausgebaut und ist mit guten Schuhwerk eine sehr schöne Wanderung.Heute verbringen 150 bis 180 Tiere den Sommer auf den Wiesen und Weiden, die Alm gehört insgesamt 22 Pongauer Gemeinden, was eine Besonderheit im Salzburger Almleben ist. Auf zwei Hütten werden die Wanderer gestärkt. Für noch detaillierte Daten rund um die Geschichte und die Weiderechte lest doch die Ortschronik Kleinarl am besten nach einer Wanderung zum Tappenkarsee, wo ihr die Seele baumeln lassen könnt. Aber Achtung: Der Lindwurm ist womöglich immer noch auf der Lauer :)

Info

Tipps & Info: Die Informationen stammen aus der Ortschronik Kleinarl. Wenn ihr gerne mehr über die Geschichte Kleinarls erfahren möchtet, könnt ihr die Chronik von Kleinarl bei der Gemeinde Kleinarl erwerben.

- Tourentipp zum Tappenkarsee

Bildnachweis: Ortschronik Kleinarl, Wagrain-Kleinarl Tourismus, Eduardo Gellner