Stoneman Taurista - Drei Farben: Silber

Trails unterm Reifen, Tauern im Blick. Der Stoneman Taurista als Zweitages-Tour fordert, ohne zu überfordern – und belohnt Mountainbiker mit Traumkulisse und Silberstein.

„Ihr müsst's da runter, zur Kapelle!“ ruft uns der Liftwart entgegen und deutet auf eine Schotterstraße, die unterhalb der Bergstation quert. Zugegeben: Mit Tourenrucksack, Tourenbike und Tourenhelm sind wir unter all den Vollvisier- und Protektoren-Trägern auf langhubigen Downhillern unschwer als Selbertreter auszumachen. Aber uns deshalb gleich einen Büßergang zum Haus des Herrn zu empfehlen? Oder meint der gute Mann gar, meine beiden Vereinskollegen und ich könnten göttlichen Beistand für die kommende Abfahrt gebrauchen?Wir fragen lieber nicht genauer nach sondern steuern unsere Räder in die angegebene Richtung. „Grießenkar – Edelweiß-Alm“ steht in großen, weißen Lettern auf der alsbald auftauchenden Schautafel neben besagtem Gotteshaus. An ihrem unteren Rand hängt die imaginäre Karotte des heutigen Nachmittages, der wir wie die Esel nachgezottelt sind: Eine Stempelvorrichtung, mit der wir das nächste Loch in unserer Starterkarte stanzen können.

Wir befinden uns hoch über Flachau in der Salzburger Sportwelt, auf dem Rücken des unter Skifahrern so bekannten Grießenkar. Die eigentlich fantastische Aussicht ist aufgrund dichter Wolken leider nur mäßig, die Stimmung hingegen heiter-gelöst. Immerhin belohnt uns gleich ein schier endloser Downhill durch den gesamten Bikepark Wagrain für die ewig lange Forststraßen-Auffahrt bis knapp unter den 1.878 m hohen Gipfel. Vor allem aber trennen uns nur noch 250 Höhenmeter vom finalen Kontrollpunkt Edelweiß-Alm. Dann haben wir die Herausforderung Stoneman Taurista geschafft.

Das Stoanamandl winkt

Der Stoneman Taurista ist eine durchgängig beschilderte Mountainbike-Tour quer durch die eindrucksvolle Bergwelt der Radstädter und Schladminger Tauern. Insgesamt 123 Kilometer und 4.500 Höhenmeter gilt es, als Rundkurs zu bewältigen. Viel zu viel für drei in die Jahre gekommene Ex-Racer, die sich als Folge eines geselligen Abends noch einmal ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit versichern wollen - zumindest, wenn sie dieses Pensum am Stück abspulen müssten.

Wie für uns gemacht schien deshalb die rund um den Stoneman ersonnene Bewältigungsstrategie: Wer die Strecke binnen eines Tages schafft, erhält als Anerkennung eine Trophäe in Gold. Aber auch etwas gemütlichere Naturen gehen nicht leer aus. Auf Finisher, die zwei Tage benötigen, wartet das später erweiterbare „Stoanamandl“ in Silber – die Variante unserer Wahl. Nach dreitägiger Challenge winkt ein Bronze-Stein. Als Beleg dienen Markierungen, welche an insgesamt acht Checkpoints in die hierfür vorgesehene Starterkarte zu stanzen sind. Wir haben sieben Stempel von acht. Unsere Beweissammlung ist also fast komplett.
Wie immer nehmen wir uns vorm Weiterfahren noch Zeit, die Tafel mit den Informationen zum nächsten Segment zu studieren: „Der kommende Abschnitt ist eine Etappe der Extreme. ... Der kurvenreiche obere Teil ist gespickt mit Wellen und kurzen Pump Sections und mündet in einen naturbelassenen sehr schweren Singletrail mit vielen Wurzeln.“ Hoppla … also lieber doch noch bei der Kapelle in ein kurzes Stoßgebet investieren? Tatsächlich entpuppt sich die Sache als halb so wild. Erstens kann, wer will, den oberen Teil komplett auf einer Forststraße umfahren. Zweitens verfügen die Schlüsselstellen des Downhills ebenfalls über einfachere Alternativen. Und drittens macht es nach so vielen tapfer und keuchend erstrampelten Höhenmetern einfach Spaß, es mal ordentlich krachen zu lassen!

Moore, Bergseen, Gipfelglück

Durchgerüttelt und mit leicht schmerzenden Händen, aber breitem Grinsen spuckt uns der 3,7 km lange Hard Rock Trail nach unzähligen Wurzeln, Stufen, künstlich angelegten Kurven und Wellen 950 Meter weiter unten im „Stille Nacht“-Ort Wagrain wieder aus.Welch Kontrast zum Vortag, als nicht professionell geshapte Anlieger, Doubles und Step Downs für Abwechslung und Fahrspaß sorgten, sondern Mutter Natur! Völlig entrückt, fast zauberhaft, sind wir zum Auftakt unseres Zweitages-Trips auf traumhaften Naturpfaden durch tiefgrüne Märchenwälder und geheimnisvoll anmutende Hochmoore hinauf zum 1.770 m hohen Rossbrand gefahren. Der Hausberg von Radstadt wird meistens wegen seines umwerfenden 360°-Panoramas auf über 150 Alpengipfel für Ausflüge empfohlen. Mir haben seine verspielten Trails entlang senfgelber Gräser, knorriger Bäume und tiefer, dunkler Kolke mindestens ebenso gut gefallen!

Nur wenige Stunden später fanden wir uns im Hochgebirge wieder. Mächtige Bollwerke aus Fels und Stein ragten rund um die Oberhütte in den Himmel, letzte grüne Wiesen formten einen sicheren Spielplatz für Mensch und Tier. Zwei kleine Bergseen bereicherten mit Glanz und Glitzer das Almidyll. Direkt hinterm Gartenzaun begann der Alpinsteig zur Seekarscharte, mit 2.110 m der Scheitelpunkt unserer Tour. Im unteren Teil versuchten wir noch, dem schmalen Wanderweg mit seinen Grasnarben und immer exponierter werdenden Steinstufen ein paar Fahrminuten abzuringen. Schließlich mussten wir jedoch klein beigeben und die Räder schultern – eine schaurig-schöne, Dreiviertelstunde lang. Als Draufgabe offerierte Obertauern wunderbar abwechslungsreiche Trail-Passagen durch Wald, Wiesen und Fels. Und nach einem der kniffligsten Wegstücke auch noch ein tief beeindruckendes Naturdenkmal: Rund 60 Meter stürzt beim Johanneswasserfall die Taurach in die Tiefe, brodelt wild, tost laut – und zeichnet doch ganz zärtlich Regenbogen in die Luft.

Kalorien verbrannt, Herz aufgetankt!

Lange hatte ich mir im Vorfeld unserer Unternehmung überlegt, wie die Anforderungen des Stoneman Taurista am besten auf zwei Tage aufzuteilen seien. Fünf offizielle Einstiegsorte und zahlreiche Logis-Partner entlang der Strecke sowie der Ennsradweg als flotter Verbindungsweg zwischen den Etappenorten lassen einem hier ja grundsätzlich jede Wahl.Als ich am Ende des ersten Tages mit schweren Beinen und vollem Kopf ins Bett sank, wurde mir klar: Es ist (fast) egal. Mit ihren großartigen Ausblicken und faszinierenden Einblicken, fordernden Anstiegen und lohnenden Abfahrten, langsamen Trails und schnellen Lines ist diese Runde in jeder Kombination und Abfolge so hart wie zart.

Noch ein kurzer Asphalt-Anstieg auf die Edelweiß-Alm, dann haben wir auch den letzten Stoneman-Stempel in der Tasche. Während wir erschöpft über das pittoreske Moardörfl, Schloss Höch und den Ennsradweg zurück zu unserem Ausgangspunkt Altenmarkt pedalieren, ziehen die Bilder der vergangenen Stunden und Kilometer an uns vorbei.Wir stöhnten bei der Tauernüberschreitung unter der Last unserer Räder, wir litten fluchend im mordssteilen Talschluss hinter der Vögeialm. Ganz still und lange standen wir am Dach des Rossbrand und zählten Gipfel um Gipfel der alpinen Leistungsschau. Allenthalben entdeckten wir Bemerkenswertes: süße Heidelbeeren, kleine Eidechsen, geschützte Moorpflanzen, urige Bauernstuben. Wir fuhren tüchtig und konsumierten fleißig – Almkäse, Würstelsuppe, Wildgulasch, Kaiserschmarrn; ja, sogar eine Kostprobe aus der Destillerie Mandlberggut durfte sein.Jetzt sind wir müde, aber fertig. Es ist Zeit, unsere Silbersteine abzuholen und stolz und zufrieden nach Hause zu fahren.

Info

Tipps & Infos: Streckenlänge: 123 km/4.500 Hm
Höchster Punkt: Seekarscharte, 2.110 m
Reisezeit: Strecke von Mitte Juni bis Ende September geöffnet; Befahrung der Forstgebiete nur mit einer Stunde Zeitabstand zu Sonnenauf- bzw. -untergang

ACHTUNG: Seit der Saison 2020 gibt es eine geänderte Streckenführung. Alle Infos dazu findet ihr HIER.

PS: seit der Saison 2024 verläuft die Strecke des Stoneman Taurista anders.

Hier findest du mehr Infos dazu.

Bildnachweis: TauernBikeTours, Lisi Hager