Der Austerrock – die prächtige Festtagstracht des Innergebirgs

Schon seit mehreren hundert Jahren kann man das Land Salzburg in zwei Teile unterteilen: das Außergebirg und das Innergebirg. Wie die Namen schon verraten, werden so im Bundesland die Regionen im Gebirge und außerhalb des Gebirges bezeichnet. Das Außergebirg umfasst den Flachgau, Teile des Tennengaus und die Stadt Salzburg. Die Innergebirgler, das sind wir, Menschen aus dem tennengauer Lammertal, Pinzgau, Pongau und Lungau. So wie jedes Gebiet seine Besonderheiten hat, so haben auch wir sie – eine davon ist der Austerrock, welcher seit November 2021 immaterielles Kulturerbe der UNESCO ist.

Als Austerrock wird die Tracht zumindest in unserer Familie und Region bezeichnet, je nach dem wo man herkommt kennt man das Gewand auch unter den Namen „Überrock“ oder „Garnierspenzer“. In meinem folgenden Text verwende ich als Ennspongauerin vorwiegend die Bezeichnung Austerrock.

Seit rund 200 Jahren wird diese Tracht im Innergebirg getragen, ihre Ursprünge reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, sie orientierte sich damals an der höfischen und bürgerlichen Mode. Der Austerrock ist kein einzelnes Kleidungsstück, sondern besteht aus mehreren Schichten, welche übereinander getragen werden. Begonnen wird mit dem Unterrock, danach folgen der Kittel mit dem Oberteil (der eigentliche, sichtbare Teil des Austerrocks), das Miedertuch, die Schürze und zum Schluss noch der Bänderhut. Dazu werden Schmuckstücke wie eine breite Kropfkette, Ohrringe, eine Brosche und oft auch kunstvoll verzierte Haarnadeln getragen. In einem kleinen Beutel wird das Wichtigste mitgenommen, wozu oft auch ein Regenschirm gehört, welcher vor allem den wertvollen Bänderhut aus Wolle und Fell vor Nässe schützen soll. Manche Frauen tragen zu ihrem Austerrock auch schwarze Handschuhe oder einen kleinen Blumenstrauß, welcher in das Mieder gesteckt wird. Das Anziehen dieser Tracht will geübt sein, mittlerweile werden Rock und Oberteil zwar mit Druckknöpfen befestigt, ältere Austerröcke werden aber nach wie vor mit Stecknadeln zusammengehalten. Ein besonderer Hingucker sind die Bänder des Bänderhutes, welche im Nacken zusammengehalten werden und hinunter bis zum Saum des Kittels reichen. Der Hut selbst wird mit viel Übung und ein paar Hutnadeln sicher befestigt. Früher, als die Frauen noch vorwiegend Gretlfrisuren trugen (eine Frisur, bei der die Haare zu Zöpfen geflochten sind, welche zu einem Kranz aufgesteckt sind) war das Anbringen des Hutes auf dem Kopf noch einfacher, doch mit ein paar Tricks und ein paar Hutnadeln klappt es bei fast jeder Frisur.

Meine Urgroßmutter selbst heiratete 1941 in einem Austerrock, welchen sie sich extra zu ihrer Hochzeit anfertigen ließ, den dazugehörigen Bänderhut, die Brosche und die dazu passende Kropfkette bekam sie von ihrer Mutter vererbt, welche wiederrum selbst im Jahr 1899 in einem Austerrock heiratete. Für genau diese Anlässe wurde die Tracht früher angefertigt und dann das ganze Leben lang getragen, ob zu fröhlichen oder traurigen Anlässen. Ähnlich ist es auch heute, viele Frauen heiraten nach wie vor in einem Austerrock und tragen ihn dann zu den verschiedenen (meist kirchlichen) Festen das ganze Jahr über. Traditionell ist der Austerrock schwarz, farbliche Akzente können beim seidenen Miedertuch und der Schürze gesetzt werden, welche meistens in der gleichen Farbe und dem gleichen Muster gehalten werden. Zu Beerdigungen wird hierauf verzichtet, die Trachtenfrauen tragen dann ein schwarzes Miedertuch mit der passenden schwarzen Schürze.

Damals wie heute erfordert die Herstellung eines Austerrocks viel Zeit, Erfahrung und handwerkliches Können. Nur wenige Schneiderinnen beherrschen diese hohe Kunst, so wird jede einzelne Blüte, Rüsche und Verzierung von Hand auf den Brokat- oder Seidenstoff genäht und sogar noch mit Perlen oder kleinen Steinchen versehen. Über 100 Arbeitsstunden muss in das Anfertigen eines Austerrocks investiert werden, jede Frau hat hier nämlich ihre ganz eigenen Vorstellungen vom sogenannten „Aufputz“, welche gemeinsam mit der Schneiderin umgesetzt werden und die Tracht zu einem Unikat werden lassen. Jede Schneiderin hat hierbei auch ihre eigene Handschrift, an welcher sich erkennen lässt, wer die Tracht angefertigt hat. Mittlerweile tragen Frauen jeder Gesellschaftsschicht den Austerrock, früher war er nur für Bäuerinnen und Bürgerinnen vorgesehen, welche ihn sich leisten konnten. Auch tragen nicht mehr nur verheiratete Frauen diese Tracht, in vielen Fällen wird der Austerrock von Müttern und Großmüttern an die Töchter und Enkelinnen vererbt, welche ihn sich von der Schneiderin ihres Vertrauens erneuern lassen und dann voller Freude weitertragen. Eine durchaus nachhaltige Tradition, welche hoffentlich noch lange erhalten bleibt.

Info

Spätestens bei den diversen Prangertagen im kommenden Frühling wird der Austerrock wieder getragen. Du möchtest das live sehen?

Hier geht`s zum Veranstaltungskalender der Region:

https://www.salzburgersportwelt.com/de/entdecken/veranstaltungen.html

Bildnachweis: TVB Radstadt, Krause & Johansen, Christian Hochwimmer