Am 21. Dezember bricht sie an, die längste Nacht des Jahres. Ein weniger dramatischer Name: Wintersonnenwende. Mit ihr beginnen die Raunächte, die im alpenländischen Raum fest mit Räucherritualen verbunden sind. Was es damit auf sich hat, erfahren wir heute von Brigitte König.
Brigitte und ihr (sehr) verschmuster Kater Leonhard begrüßen mich auf ihrem Hof, dem Königshof in Eben im Pongau. Der Hof liegt am Gasthofberg, etwas erhöht, mit wunderbarem Ausblick auf den Hochkönig. Wir setzen uns an einen Tisch, auf dem sich verschiedenste Bücher über das Räuchern und den Jahreskreis türmen; zwei Tassen selbstgemachter Kräutertee verströmen einen angenehmen Duft. Kräuter sind auch schon das richtige Stichwort. Brigitte ist schon seit ihrer Kindheit naturverbunden. Nachdem sie einige Zeit in der Schweiz gearbeitet hat, kehrt sie auf den elterlichen Hof zurück, wo sie mit ihrem Mann Richie und ihren drei Kindern lebt. Die Naturverbundenheit ist ihr geblieben, weshalb sie auch eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin machte. Mit ihrer Schwester teilt sie das Interesse am Räuchern: „Während Katharina gerne eigene Räuchermischungen zusammenstellt, entscheide ich lieber spontan, welche einzelnen Kräuter und Harze ich verwende. Räuchern ist also nicht gleich Räuchern.“ Dadurch, dass zahlreiche unterschiedliche Kulturen und Religionen ihre Rituale mit dem Räuchern verbinden, gibt es entsprechend viele davon. „Bevor das Christentum sich in Europa verbreitete, hatten die heidnischen Völker ihre eigenen Bräuche, zu denen auch das Räuchern gehöre. Leider gibt es davon kaum Aufzeichnungen“, meint Brigitte.
Die Geschichten und Bräuche der antiken und frühmittelalterlichen europäischen Völker faszinieren Brigitte schon lange, vermutlich, weil sie sich so sehr an der Natur und dem Lauf der Jahreszeiten orientieren. So feierten wohl unsere Vorfahren schon die Wintersonnenwende, ganz ohne Kalender, und erkannten die Bedeutung dieser Tage. Die „Zeit zwischen der Zeit“, in der die dunkelsten Tage des Jahres anstehen, steht ganz im Zeichen von Ende und Anfang. Die Menschen machten sich seit je her bereit für einen Neubeginn. Brigitte erzählt mir schmunzelnd dazu: „Meine Tante sagte, dass man doch die Wintersonnenwende mehr feiern sollte als die Sommersonnenwende, schließlich werden dann die Tage endlich wieder länger.“ Eine Tradition bei ihr am Königshof ist, Fass sie mit der Familie abends draußen ein Feuer entzündet. Gemeinsam schauen sie auf das vergangene Jahr zurück und kommen zur Ruhe. Mit dem 21. Dezember, auch Thomasnacht genannt, beginnen für viele auch die 12 Raunächte. Familie König geht am Heiligen Abend, zu Neujahr und am Dreikönigstag mit einem Räucherpfandl durch alle Räume von Haus und Stall; in alle Ecken. Dadurch sollen schlechte Energien weichen und Platz machen für Positives. Doch nicht nur zum Räuchern eignen sich die Raunächte, erklärt Brigitte: „Es heißt, man soll beobachten, was man in den 12 Raunächten träumt – die Träume stehen für die 12 Monate im kommenden Jahr.“
Das Räuchern stimmt Familie König auch auf Weihnachten ein. „Das Schöne am Räuchern ist, dass es so individuell ist – sicher gibt es die Raunächte, aber viele räuchern „nur“ in der Thomasnacht, zu Weihnachten und am 6. Jänner, am Tag der Heiligen Drei Könige. Man kann natürlich räuchern, wann und was man möchte.“ Am liebsten verwendet Brigitte selbstgesammelte Kräuter. Ihre Favoriten sind Baumbart, Mädesüß und Beifuß, je nach Stimmung. Die Kräuter werden getrocknet und können so jederzeit genutzt werden. Auch Harze und Rinden heimischer Bäume haben es ihr angetan. „Die wichtigste Zutat ist aber Zeit“, verrät Brigitte. Diese Zeit nehmen sich Brigitte und ihre Schwester Katharina auch bei den Räucherwanderungen, die im Winter jeden Freitag am Königshof stattfinden. Dabei erklärt Katharina an mehreren Stationen die verschiedenen Arten zu Räuchern, und welche Materialien man in welcher Situation verwenden kann. Jeder Zutat sagt man eine spezielle Wirkungen nach. Welche das sind, erfahrt ihr bei einer der stimmungsvollen Räucherwanderungen, bei der man bewusst in sich kehrt, das Knistern des Feuers vernimmt und achtsam die wohltuenden Düfte auf sich wirken lässt.
Info
Die Räucherwanderungen finden im Dezember und Jänner immer freitags um 19:00 Uhr am Königshof statt. Brigitte und Katharina bitten um Voranmeldung beim Tourismusverband Eben im Pongau bis 12:00 Uhr des Vortages.
Mehr Infos zur Räucherwanderung in Eben im Pongau findest du hier.
Bildnachweis: Angelika Pfuner - TVB Eben, Wouter Oudemans - TVB Eben